Berichte & Studien

Die Zahnarztordination als Screening für Diabetes?

PD Dr. Kristina Bertl, PhD MSc MBA

Die bidirektionalen Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Diabetes sind unumstritten (siehe auch: 2×LINK) und ein großes Problem mit Diabetes ist die relativ hohe Dunkelziffer. Um diese Dunkelziffer zu verbessern beziehungsweise um Prädiabetes und Diabetes früher zu erkennen, kam in den letzten Jahren die zahnärztliche Ordination mehr und mehr ins Gespräch. Hintergrund für diese Überlegung ist folgende: Viele unserer PatientInnen gehen zwar relativ regelmäßig (zumeist doch einmal in 1–2 Jahren) zur zahnärztlichen Kontrolle, aber wesentlich seltener regelmäßig zu ihrem/ihrer Hausarzt/ärztin, vor allem wenn keine Beschwerden vorliegen. Dementsprechend sieht der/die Zahnarzt/-ärztin die potentiellen PatientInnen wesentlich häufiger als der/die Hausarzt/-ärztin.

Wie könnte nun so ein Diabetes Screening beim Zahnarzt ausschauen? Mittels eines sogenannten Point-of-Care-Systems kann man sehr einfach auf Prädiabetes und Diabetes screenen. Durch eine einfache Fingerpunktion kann ausreichend Blut für einen leicht anzuwendenden Teststreifen gewonnen werden und man erhält direkt den HbA1c Level (= Langzeitblutzuckerwert) des/der Patienten/-in. Ab einem Wert von 5,7 % ist eine ärztliche Untersuchung empfohlen.

Es liegen bereits mehrere Studien vor, die sich mit dieser Thematik befasst haben und beispielhaft sei hier eine aus Amerika angeführt (Genco et al. 2014). In dieser Studie wurde der HbA1c bei über 1.000 PatientInnen gemessen und fast 50 % wiesen einen HbA1c ≥5,7% auf! Diesen 416 PatientInnen wurde empfohlen ihren/ihre Hausarzt/-ärztin aufzusuchen, jedoch folgten in dieser Studie nur 146 PatientInnen dieser Empfehlung. Nichtsdestotrotz sind die Zahlen an neudiagnostizierten Prädiabetes und Diabetes bei diesen 146 PatientInnen erschreckend: 23 % wurden als Prädiabetes klassifiziert und 12 % sogar als manifester Diabetes!

Abbildung. Rate an neudiagnostiziertem Prädiabetes und Diabetes in der Studie von Genco et al. (2014).

Dementsprechend stellt dies eine Screeningmethode dar, die in einer zahnärztlichen Ordination – vor allem aus allgemein-medizinischer Sicht! – ein sehr wertvolles Tool sein könnte!

Tip!
Der HbA1c-Wert gibt einen Hinweis auf die Blutzuckereinstellung in den vergangenen acht bis zwölf Wochen und ist daher in der Diabetesbehandlung ein wichtiger Messwert zur Kontrolle, den unsere Patienten auch kennen sollten! Das Ziel einer akzeptablen Blutzuckereinstellung für einen Diabetiker ist diesen Wert unter 7,5 % bzw. 58 mmol/mol zu halten; im Vergleich dazu liegt dieser Wert bei einem Nicht-Diabetiker zirka bei 5 % bzw. 30 mmol/mol.

Referenz

  1. Genco RJ, Schifferle RE, Dunford RG, Falkner KL, Hsu WC, Balukjian J. Screening for diabetes mellitus in dental practices: a field trial. J Am Dent Assoc. 2014 Jan;145(1):57-64. doi: 10.14219/jada.2013.7.

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