Berichte & Studien

Klassifikation – Gingivitis

Prof. Dr. Peter Hahner

Die neue Klassifikation unterscheidet weiterhin zwischen der plaque-induzierten Gingivitis und nicht-plaque-induzierten gingivalen Erkrankungen (Chapple et al., 2018). Die plaque-induzierte Gingivitis wird wie bisher als unspezifische entzündliche Läsion in Folge einer begrenzten immunologischen Reaktion auf eine vermehrte Biofilmansammlung am Gingivarand und im gingivalen Sulcus definiert, die sich nur im Bereich der Gingiva manifestiert, Wurzelzement, parodontales Ligament und den Alveolarknochen sind nicht beteiligt (Murakami et al., 2018). Die klinischen Kennzeichen sind Schwellung, Rötung und unter Umständen eine gewisse Schmerzempfindlichkeit. Als diagnostisches Kriterium für die Unterscheidung zwischen klinischer parodontaler Gesundheit und Gingivitis wurde für die aktuelle Klassifizierung an Stelle des sonst häufig verwendeten Gingiva-Index (GI) (Löe, 1967) der BoP-Index (BoP = Bleeding on Probing) ausgewählt, bei dem die Blutung durch einen leichten Druck (entsprechend einer Belastung von ≤ 25 g) auf den Boden des gingivalen Sulkus oder der parodontalen Tasche stimuliert wird. Der BoP-Index gilt als Standardparameter zum Überwachen der Entzündungsaktivität in der Erhaltungsphase der systematischen Parodontitistherapie, daher sprachen praktische Gründe für eine Vereinheitlichung der Diagnostik.

Analog zur Beschreibung des Zustands der klinischen parodontalen Gesundheit wird auch bei der Gingivitis wieder zwischen einer stellen- bzw. zahnspezifischen Diagnose und einer Diagnose auf Patientenebene unterschieden (Trombelli et al., 2018).

Eine lokalisierte Gingivitis liegt vor, wenn an mehr als zehn und maximal 30 Prozent der Messstellen ein positiver Blutungsbefund (BoP+) erhoben wird, bei über 30 Prozent an BoP-positiven Messstellen spricht man von einer generalisierten Gingivitis. Die Sondierungstiefen dürfen grundsätzlich maximal drei Millimeter betragen (s. Tabelle 1).

Weiterhin wird wie bei der klinischen parodontalen Gesundheit zwischen Gingivitis am intakten und reduzierten Parodontium unterschieden (s. Tabellen 2 + 3).

Damit ermöglicht die neue Klassifikation eine sehr differenzierte Beschreibung parodontaler Zustände: Zuerst kann sich aus dem Zustand parodontaler Gesundheit eine Gingivitis entwickeln, die vollständig reversibel ist. Auf dem Boden dieser Gingivitis kann eine Parodontitis mit Attachmentverlusten entstehen, aus dem parodontal gesunden Patienten ist dann über die Zwischenstufe „Gingivitis-Patient“ ein „Parodontitis-Patient“ geworden. Je nach Erfolg oder Misserfolg der parodontalen Therapie erreicht dieser Parodontitis-Patient einen Zustand parodontaler Gesundheit (= stabiler Fall) bzw. einen Zustand mit Stellen gingivaler Entzündung (= „Gingivitis bei reduziertem Parodontium“), oder er bleibt Parodontitispatient (= nicht stabiler Fall mit wiederkehrenden Erkrankungsschüben) (Chapple et al., 2018).

Referenz

  1. Chapple, I. L., Mealey, B. L., Van Dyke, T. E., Bartold, P. M., Dommisch, H., Eickholz, P., ... & Griffin, T. J. (2018). Periodontal health and gingival diseases and conditions on an intact and a reduced periodontium: Consensus report of workgroup 1 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri‐Implant Diseases and Conditions. Journal of clinical periodontology, 45, S68-S77.
  2. Murakami, S., Mealey, B. L., Mariotti, A., & Chapple, I. L. (2018). Dental plaque–induced gingival conditions. Journal of clinical periodontology, 45, S17-S27.
  3. Löe, H. (1967). The gingival index, the plaque index and the retention index systems. The Journal of Periodontology, 38(6P2), 610-616.
  4. Trombelli, L., Farina, R., Silva, C. O., & Tatakis, D. N. (2018). Plaque‐induced gingivitis: Case definition and diagnostic considerations. Journal of clinical periodontology, 45, S44-S67.

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